Philosphie und Praxis – allgemein
Thomas Declaude
Vor einigen Jahren fasste ich den Entschluss, nicht mehr ausschließlich als Bühnenkünstler zu agieren; Ich wollte in noch direkterem Kontakt mit Menschen kreativ arbeiten, sie zur Kreativität inspirieren. Seither habe ich zahlreiche Theater- und Kreativseminare unter dem Titel theaterreisen (Wir reisen mit der Kraft unserer Fantasie…) mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen abgehalten. Freies, vor allem auf Improvisation aufgebautes Theater-Spiel ist zu Förderung der individuellen wie kollektiven Kreativität am besten geeignet, davon bin ich nach den Erfahrungen der letzten Jahre überzeugt. Es bedarf dazu keinerlei Bühnenerfahrung oder anderer Vorkenntnisse. Und keines Perfektionsanspruches. Es ist absolut für jede/n InteressentenIn geeignet. Es kommt einem vergnüglichen Abenteuer gleich, spontan in andere Rollen zu schlüpfen, sich selber wie auch die anderen neu zu entdecken.
„Kreatives Lernen“ – das sich vor allem durch die Freude und den Spaß an der Sache entwickelt – umfasst dabei sowohl die verbale – wie die Körpersprache, verbindet musikalisches Empfinden mit bildnerischer und räumlicher Vorstellung. Die Wahrnehmungsfähigkeit erweitert sich insgesamt. Und das wiederum erhöht die Kraft des Ausdrucks. Es wirkt alles zusammen. Die theaterreisen Seminare sind auf spannenden und vor allem unterhaltsamen Spielen im Reich der Fantasie und Imagination aufgebaut. – Im Spiel können wir einander nicht nur spiegeln und betrachten und anders wahrnehmen als wir es alltäglich gewohnt sind. In gemeinsam erdachten kleinen Geschichten, in improvisierten Szenen erfinden wir uns und einander auch neu. Das macht vor allem flexibler im Umgang mit uns selber und anderen.
Jede/r besitzt ein im wahrsten Sinne des Wortes „ungeahntes“ kreatives Potenzial, verschüttet durch die üblichen Reglementierungen von außen.
Während der theaterreisen Seminare blüht es meist plötzlich – und für die TeilnehmerInnen selbst überraschend – auf. Die Konventionen, Ängste, grausamen Selbstansprüche, die steifen Charaktermasken- alles das lockert sich völlig zwanglos. Manche TeilnehmerInnen sprechen dann z.B. wirklich originelle spontane Texte oder verfassen aus dem Stegreif Gedichte ohne vorher im Geringsten gewusst zu haben, dass sie das können. Und die meisten machen die wunderbare Erfahrung, über sich selbst lachen zu können.
Dieses Selbstvertrauen ermöglicht, dass jede/r als Teil eines Ganzen einen sehr persönlichen und kreativen Beitrag leistet und mit Teamgeist interagiert.
Dem großartigen englischen Theatermann Keith Johnstone bin ich sehr dankbar. Von ihm bzw. seinen Büchern habe ich viele Improvisationstechniken übernommen. Er hat in seinen Schriften auch Grundlagen für ein neues (eigentlich altes, nur scheinbar vergessenes) Kulturverständnis geschaffen: Kunst und Kreativität gehören nicht nur den Künstlern und den Institutionen. Beide sind in vielfältiger und entsprechender Weise jedem/r zueigen.
Auf diese Weise können Kunst und Kreativität auch ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen: Brücken zu bauen und die Einheit der Menschen mit sich selbst und die Gemeinsamkeiten mit anderen zu fördern.